Entropische Bewegungen der Erinnerung werden im Raum festgehalten: Der kubanische Künstler Diango Hernández ordnet neue Arbeiten in der Galerie Nicolas Krupp zu einem Kabinett, das unterschiedliche Zustände thermodynamischer Auflösungen, Verflüssigungen und Evaporationen von Bildern präsentiert. Basel – Erstmals seit seiner Einzelausstellung Revolution in der Kunsthalle Basel 2006 präsentiert Diango Hernández (*1970) wieder Arbeiten in der Schweiz. Basierend auf der Geschichte des Ateliers des Bildhauers Florencio Gelabert (1904 – 1995), einem der modernistischen Künstler Kubas, umkreist er Verflüchtigungszustände kultureller Bilder in der Galerie Nicolas Krupp.
Gelaberts Atelier ist Ende der 1980er Jahre aufgrund fehlender Renovierung eingestürzt, Kunstwerke sowie Mobiliar fielen dem eindringenden Regen zum Opfer.
Hernández erwarb vor einigen Jahren eine Kohlezeichnung Gelaberts mit einer Studie eines Knabenkopfs, die einen prominenten Wasserfleck in ihrer Mitte aufwies. Mit dieser physikalischen Spur offenbarte die Zeichnung zwei Geschichten: die des Kunstwerks sowie der Zerfall eines der selten gewordenen individuellen Künstlerateliers unter der kommunistischen Regierung Kubas. Dieses Zusammenfallen von Werk und geschichtlichem Kontext im Motiv des Flecks war für Hernández der Ausgangspunkt: Für die Gruppe Humid memories (2011) hat er auf nassem, umgedrehtem Leinwandstoff mit Wasserfarben gemalt. Wieder getrocknet, sind ephemere Farbflecken entstanden, die sich untrennbar mit dem grobgewobenen Leinenstoff vereinen. Die Aktivierung der Erinnerung durch Gesten des Eingiessens oder der sichtbar gemachten Verdunstung von Wasser zeigt auch die Serie Cristales (1936/2011), in denen der Künstler die abgebildeten Trinkgläser auf Katalogseiten der Keramikmanufaktur Villeroy & Boch mit Wasserfarbe von Hand „aufgefüllt“ hat. Gefärbtes Wasser, das auf die Produktion neuer Bildern hinweist, findet sich in gefundenen Kristallkaraffen für Cognac oder Whisky wieder, die in Nischen in musealen Sockelstelen plaziert sind. Trotz ihrer bourgeoisen Eleganz verweisen die Karaffen als Farbbehälter auf den intimen Arbeitsort des Ateliers zurück. Oben auf die Sockel sind gerollte Buchseiten eines 1936 erschienenen Kataloges über den deutschen Künstler Georg Kolbe (1877 – 1974) eingesteckt, welche die Geschichte eines anderen Bildhauers der Moderne aufnehmen, der sich ähnlich wie Florencio Gelabert in einer widersprüchlichen Beziehung für und gegen die Diktatur verhielt. Hernández legt narrative Fragmente und installative Episoden im Raum aus: Mit materiellen Zersetzungen und damit der Verweigerung eindeutiger Bilder, eröffnet Hernández alternative Lesarten von Geschichte, die nicht „kristallklar“ verstanden werden kann, sondern stets verschiedene Perspektiven beinhaltet.
Source: Kunstbulletin
Nicolas Krupp
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