Diango Hernández – Mit Wellen auf dem Weg nach oben. dpa Foto – aktuell 22.06.2015 Von Dorothea Hülsmeier

Klar, Gerhard Richter oder Georg Baselitz kennt jeder. Aber wer ist zum Beispiel Diango Hernández? Auch er ist seit langem ein etablierter Künstler – und könnte bald auch international bekannt sein. Düsseldorf (dpa) – Schaut man sich den Lebenslauf von Diango Hernández an, dann ist über viele Seiten die Liste der Ausstellungen gedruckt, an denen er bereits teilgenommen hat. Biennale in Venedig 2005, Biennale Sydney, Biennale Sao Paulo, Ausstellungen in Basel, London, New York.

Und dennoch sagen selbst Experten der Kunstszene beim Namen Hernández nicht automatisch: «Ach ja, den kenne ich.» Dabei hat der 1970 auf Kuba geborene Künstler, der seit 2003 in Düsseldorf lebt, nicht nur eine eindrucksvolle künstlerische Karriere vorzuweisen. Hernández wird auch von renommierten Galerien in London, New York und Berlin vertreten.

Mit 5000 Zeichnungen im Gepäck kam Hernández als gut 30-Jähriger nach Europa. «In Kuba haben wir keine Galerien. Es war immer ein Geheimnis für mich. Was ist eine Galerie, was macht ein Markt?», sagt er. «Als ich nach Europa zog, wusste ich, dass ich eine Menge zu lernen hatte. Ich war 33 Jahre alt und wusste nicht einmal, was eine Bank ist.»

Sein Talent wurde sehr schnell entdeckt. Hernández\’ Kunst basiert auf seiner Erinnerung. Es geht um Kuba, er verbindet seine Geschichte mit einer oft humorvollen Kapitalismus- und Sozialismuskritik. Aber seine Arbeiten, oft skurrile Installationen aus Alltags-Fundstücken und Altmöbeln drücken das nicht direkt aus. «Alle Erinnerungen sind in etwas anderes übersetzt, in die Sprache der zeitgenössischen Kunst», sagt er.

Für Markus Heinzelmann, Direktor des Leverkusener Museum Morsbroich und Experte für Gegenwartskunst, ist Hernández «einer der wichtigsten jüngeren und auch international beachteten Künstler des Rheinlands». Zweimal war Hernández in Gruppenausstellungen in Morsbroich präsent. Seine Werke berührten «das Existenzielle des Lebens», sagt Heinzelmann. Hernández verbinde das Improvisationstalent seiner kubanischen Heimat mit der Konzeptualität der westlich geprägten Kunstgeschichte – «eine fantastische Mischung, die Herz und Gehirn gleichermaßen anspricht». Und so etwas schaffe nur «die beste Kunst». «Wir planen, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten, weil er so gut ist und mittlerweile genau an der Schwelle zum internationalen Durchbruch steht.»

Aber wie definiert man den Durchbruch in der Kunst, wo einige «blue chip»-Künstler für zig Millionen gehandelt werden, aber das Gros oft von seiner eigenen Arbeit nicht einmal leben kann? Allein rund 10 000 professionelle bildende Künstler in Deutschland werden vom Bundesverband BBK vertreten. «Ich bin ein Mid-Career-Artist», sagt Hernández. Das bedeutet, dass er seine künstlerische Handschrift entwickelt hat und seit Jahren auf dem Markt präsent ist. Er ist also längst kein «emerging artist» mehr, den erst wenige kennen und der seinen Stil noch entwickeln muss. Aber er ist auch noch nicht ganz oben.

Auch Sammler kaufen Hernández\’ Werke bereits – wenn auch noch nicht als Investment. «Ich habe immer mit Galerien zusammengearbeitet, die meiner Arbeit sehr verpflichtet waren. Sie haben mich unterstützt in jeder Lage», sagt er. Hernández hat 2014 das Trainerhaus der Deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien mit Kunst ausgestattet. «Was für eine Ehre!» Er malte Cocktailrezepte für Caipirinha und Mojito auf monochrome Farbfelder. Die Malerei sollte die Siegesfeier schon vorwegnehmen.

Hernández lag richtig. Bis Anfang September hat Hernández eine Einzelausstellung in der Kunsthalle Münster. Mitte Juni war er auf der Kunstmesse Art Basel im Galerien-Sonderprogramm «Unlimited» vertreten, in dem innovative Arbeiten von rund 20 Künstlern gezeigt werden. «Es ist sehr schwer, dorthin zu kommen», sagt er. Aber seine Galerie in London habe es geschafft, ihn in das Projekt zu kriegen. Hernández liebt die Routine. Er arbeitet jeden Tag ab 9.30 Uhr bis 17 Uhr in seinem hellen Atelier in einem ehemaligen Fabrikgebäude. Draußen fahren S-Bahnen vorbei, irgendwo ist durchdringendes Metallsägen und Hämmern zu hören, drinnen im Atelier spielt im Hintergrund leise Klavier- und Gitarrenmusik. «Ich habe kein Internet hier. Es reicht schon, wenn Leute anrufen.»

Hernández ist auf dem Sprung – symbolisch. Vor einigen Monaten habe er «eine Tonne Müll» aus seinem Atelier getragen. «Ich hatte sieben Jahre den Müll nicht ausgeräumt», sagt er. Zuletzt habe er die Tür nicht mehr öffnen können – aber die Miete gezahlt.

«Es liegt etwas Magisches darin, wenn man etwas verändert», sagt er. «Und ich liebe magische Dinge.» Auch künstlerisch hat Hernández einen Sprung gemacht. «Ich entdecke gerade die Malerei wieder.» «Words to sea» heißt seine großflächige Malerei, die Hernández in Basel präsentierte. Er malte blaue und orangefarbene Wellen auf meterlange gegenüberliegende Leinwänden. Die Wellen seien eine Übersetzung von Passagen aus der Rede des kubanischen Revolutionsführers Fidel Castro zu Intellektuellen im Jahr 1961. «Ich hoffe, dass diese Malerei den Durchbruch bringt», sagt Hernández. «So etwas wie das hier habe ich vorher noch nie geschafft.»

Mit freundlicher Genehmigung der dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH, Hamburg, www.dpa.de
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