“In hazard” by Diango Hernández
Coming out there into the blackness the blast hit him in the mouth, stopping his breath. He tried to gasp, but he could not: something pungent had filled his lungs, so that they retched and shuddered in the attempt to breathe. The wind was wrapping it round him in hot, greasy blasts. His unseeing eyes poured with water, smarted as in mustard gas. He must be in a cloud of dense smoke: but he could not see it, of course—the night could be no darker than it was anyhow. He had no idea where it came from: possibly the fiddley. The thing to do now was to find his way to the Bridge—if his lungs held out. Keeping his head with an effort of will, he began to feel his way along, holding his breath (what little breath he had), resisting the dangerous temptation to hurry.” (1)
During the afternoon of November 9, 1932 in the southeast of Cuba, a powerful short blast of wind violently snatched thousands of pieces of fruit from their trees; for more than five minutes, oranges, mangoes and papayas flew frenetically around like only scared birds know how. The next morning, on November 10, the coastal village of Santa Cruz del Sur and its 3,000 inhabitants had disappeared. During the previous night and in the space of a few minutes, the sea, with gigantic waves measuring five metres high in places, flooded miles of land. That same night and not faraway off the coast from Santa Cruz del Sur, the S.S Phemius, under the command of Captain D.L.C Evans, was caught up for four days in the same category 5 hurricane that had erased the village of Santa Cruz del Sur. A couple of years later, Captain Evans asked Richard Hughes to write about these desperate four days. In 1938 Richard Hughes published In Hazard, a novel in which the protagonist was not the hurricane but the will of the survivor, the fight of man against the gigantic fury of a cataclysm, human nature physiologically and physically naked in the face of inevitable and extreme circumstances.
“Only after he had published the book did Hughes himself comprehend its subtext: it is an anticipation of the physical upheaval of the second world war, but embodies also the virtues individuals would need to demonstrate if they were to survive the challenge presented by the war.” (2) It would seem as if cataclysms not only unchain devastating natural events, but also sequences of social catastrophes; as though the flying fruit of Santa Cruz del Sur on November 9, 1932 would fall years later as bombs all over Europe.
I was sitting, the piazza was crowded, between my hands I had a picture that I decided to look at without thinking, without saying anything to myself, I was just looking at it in silence allowing my eyes to rove over an image that was monumentally frozen. I wouldn’t have wanted to see that image in motion; there are events that only happen to have been photographed as if sometimes in a photograph, even the sun and the wind have been hired to pose for the prism in front of the fatal eye of a photographer. There are also many photographs that depict a reality that hasn’t had happened yet; they are a form of prediction, like the weather forecast showing us a satellite image which tells us that the hurricane is just five miles away.
But is it possible to photograph an event that hasn’t happened yet? Is it possible that a person is alive without being born? I am leaving; I said to myself and while I was getting up, I consciously dropped the photograph and without looking back, I left the piazza, knowing that once the photograph touched the grass, it would no longer be a photograph, but a piece of reality.
(1). Richard Hughes, In Hazard (New York, 2008). First published in 1938.
(2) Quote of Richard Poole; source:
http://www.richardpoole.net/criticism/richardhughes.aspx
Richard Poole is a world authority on the work of Richard Hughes. His critical biography Richard Hughes, Novelist – was published by Poetry Wales Press, as was Fiction as Truth: Selected Literary Writings by Richard Hughes, which he edited.
“In hazard, translated”
1. March 11. May 2014
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“Als er hinaustrat in die Finsternis, schoss ihm der Luftstoß in den Mund und raubte ihm den Atem. Er wollte Luft schnappen, es ging nicht: Etwas Stechendes war in seine Lungen gedrungen, und beim Versuch zu atmen würgte und schüttelte es ihn. Der Sturm hüllte ihn in heiße, fettige Schwaden. Er sah nichts mehr, seine Augen tränten und brannten wie von Senfgas. Er musste in einer dichten Rauchwolke stehen, aber natürlich konnte er sie nicht erkennen – es herrschte sowieso pechschwarze Nacht. Er hatte keine Ahnung, wo es herkam, vielleicht vom Schornsteinmantel. Jetzt galt es, den Weg zur Brücke zu finden – wenn seine Lungen mitspielten. Er versuchte, klaren Kopf zu bewahren, und tastete sich langsam Schritt für Schritt vorwärts, wobei er die Luft anhielt (den kleinen Rest, den er noch in der Lunge hatte) und der gefährlichen Versuchung widerstand, hastige Bewegungen zu machen.” (1)
Am Nachmittag des 9. Novembers 1932 riss an der Südostküste Kubas ein kraftvoller kurzer Windstoss gewaltsam Tausende von Früchten von den Bäumen und während mehr als fünf Minuten wirbelten Orangen, Mangos und Papayas heftig wie erschreckte Vögel umher. Am nächsten Morgen war das Dorf Santa Cruz del Sur und mit ihm 3000 Einwohner verschwunden. In der vorherigen Nacht haben gigantischen Flutwellen innerhalb nur weniger Minuten kilometerweit das Land überspült und in bestimmten Gebieten eine Höhe von bis zu fünf Metern erreicht. Zur gleichen Zeit und nicht weit weg von der Küste wurde das Schiff S.S Phemius unter dem Kommando von Kapitän D.L.C Evans für ganze vier Tage im gleichen Hurrikan der Kategorie 5 gefangen, der die Ortschaft Santa Cruz del Sur auslöschte. Einige Jahre später fragte Kapitän D.L.C Evans den Schriftsteller Richard Hughes, ob er über diese vier schicksalhaften Tage schreiben würde. 1938 veröffentlichte Richard Hughes den Roman In Hazard (dt. In Bedrängnis), in dem nicht der Hurrikan der eigentliche Hauptprotagonist ist, sondern der Überlebenswille – der Kampf des Menschen gegen die Auswirkungen der Katastrophe; sowie die menschliche Natur, die angesichts unvermeidlicher und extremer Umständen verletzlich und nackt bleibt.
“Erst nachdem Hughes das Buch veröffentlich hatte, verstand er selbst dessen Botschaft: Sie ist eine Vorwegnahme des physischen Umbruchs des 2. Weltkrieges, sie beschreibt jedoch auch die Tugenden, die der Einzelne benötigt, um zu zeigen, dass er die Herausforderungen und Gefahren des Krieges überleben kann.“ (2) Es scheint, als ob Kataklysmen nicht nur verheerende Naturelemente entfesseln, sondern auch Abfolgen von sozialen Katastrophen; als ob die fliegenden Früchte von Santa Cruz del Sur vom 9. November 1932 ähnlich wie die Bomben einige Jahre später über Europa herabgefallen wären.
Ich hatte mich gesetzt, die Piazza war gefüllt, zwischen meinen Händen hielt ich ein Bild, ich hatte entschieden, es ohne Denken anzuschauen, ohne mir selbst etwas zu sagen, ich schaute es einfach im Stillen an, meinen Augen erlaubend über ein Bild zu gleiten, das auf monumentale Weise eingefroren war. Ich wollte das Bild nicht in Bewegung sehen; es gibt Ereignisse, die nur geschehen, um fotografiert zu werden, als ob in einer Fotografie manchmal sogar die Sonne und der Wind angestellt worden wären, um für die Linse zu posieren, die sich vor dem verhängnisvollen Auge des Fotografen befindet. Es gibt auch viele Fotografien, die eine Realität darstellen, die noch nicht passiert ist, sie sind eine Form der Vorhersage – wie wenn die Wettervorhersage uns ein Satellitenbild zeigt und uns darüber informiert, dass der Hurrikan nur noch fünf Meilen entfernt von uns ist.
Aber ist es möglich, ein Geschehnis zu fotografieren, das noch nicht passiert ist? Ist es möglich, dass eine Person lebendig ist, ohne geboren zu sein? Ich gehe, ich sagte es zu mir selbst, und während ich aufstehe, lasse ich die Fotografie bewusst fallen und ohne zurückzuschauen, verlasse ich die Piazza, wissend, dass wenn die Fotografie erst einmal das Gras berührt hat, es nicht mehr länger eine Fotografie sein würde, sondern ein Stück der Realität.